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ERBBESTÄNDER

Der Branchweilerhof als Mennonitensiedlung

Schweizer Flüchtlinge finden eine Heimat

Ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Branchweilerhofes begann 1671, als sich aus der Schweiz vertriebene Menisten (Mennoniten) als Temporalbeständer (Pächter) hier niederließen.

Es waren dies:
Friderich (Fritz) Dester und seine Frau Elisabetha,
Jakob Weber und seine Frau Barbara sowie
Daniel Stauffer und seine Frau Anna
Mit ihren Familien.

Nach elf Jahren ihres Hierseins war es ihnen möglich den Branchweilerhof im Erbbestand zu übernehmen. Der Erbbestandsbrief vom 28. September 1682, ausgestellt von Kurfürst Karl (1680-1685) gibt uns einen Einblick in die übernommenen Rechte, Pflichten und Lasten der Erbbeständer. Ihnen wurde aufgetragen die Äcker sorgfältig zu bebauen und die vom 30 jahrigen Krieg her noch mit Hecken und Strächern bewachsenen und verwilderten Felder zu säubern und ertragsfähig zu machen, die Äcker und Weinberge mit dem, notwendigen Dung zu versehen, in den Wiesen die Maulwurfshügel zu beseitigen und zur Be- und Entwässerung Gräben auszuheben. Auch alle sonstigen notwendigen Arbeiten sollten so ausgeführt werden, wie es fleißigen und aufrichtigen Bauern ,,zu tun gebühret". Es lag somit eine große Arbeitslast auf den Schultern der Erbbeständer, bis eine einigermaßen geregelte und gesicherte Betriebsführung möglich war.

Das Hofgut umfaßte bei der Erbbestandsübernahme ein großes Wohnhaus (das Spital) und dazugehörige Wirtschaftsgebäude nebst einer 1674 abgebrannten großen Scheuer; weiter die zum Spital gehörenden 100 Morgen Ackerland und 12 3/4 Morgen Weingärten. Dafür mußten die drei Familien eine einmalige Summe von 1650 Gulden bezahlen. Die jährlichen Abgaben betrugen 200 Gulden in bar und dazu noch 21 Malter Korn (= 18,48 dz), gesäubert und getrocknet. Die Pacht für die Weingärten betrug ein Drittel des Ertrags. Außerdem standen ihnen 150 Morgen Pachtland, das jederzeit erweitert werden konnte, zur Bebauung zur Verfügung. Für letzteres mußten sie jährlich 37,5 Malter Korn (33 dz) abliefern. Für den großen Zehnt waren 25 Malter Korn (22 dz) zu liefern und für den kleinen Zehnt 5 Gulden in bar zu zahlen. Für Schatzung und Fronfreiheit forderte man jährlrch 30 Gulden, die an die Kriegskasse zu zahlen waren.

Den Erbbeständern war auferlegt, ihre Güter nicht außerhalb ihrer Leibeserben zu zerteilen oder an Leute zu verpachten und zu veräußern, die nicht auf dem Branchweilerhof wohnten. Sollten sie oder ihre Erben und Nachkommen aber dennoch ihre Güter veräußern wollen, so hatten sie ihr Besitztum dem Schaffner für Branchweiler zum Kauf anzubieten. Wenn er es nicht übernehmen wollte, so stand es den Erbbeständern frei, ihr Gut anderweitig abzugeben, jedoch nut an solche Leute, von denen man eine gute Bewirtschaftung erwarten konnte. Wegen der Religion der Erbbeständer machte der Kurfürst folgende Bedingungen:
"Soviel ihren Glauben betrifft, sollen sie zwar derentwegen unangefochten verbleiben, jedoch mit dem ausdrücklichen Anhang und Beding, daß sie keine öffentliche oder heimliche Zusammenkünften und Conventikula von anderen, so nicht auf dem Spitalhof wohnen, daselbsten an Stellen noch halten lassen, viel weniger andere Churfürstlich-pfälzlsche Unterthanen und Leute an sich ziehen oder verführen, auch nicht gotteslästerlich, aufrührerisch oder der Obrigkeit verkleinerliches Reden oder Thun, dabei neben des Wiedertäufens sich gäntzlich enthalten".

Als Gründungsjahr der Gemeinde Branchweilerhof wird nach der Überlieferung das Jahr 1683 angenommen, nachdem die Familien den Branchweilerhof kurz zuvor im Erbbestand übernommen hatten. Sicher war die kleine Gruppe dankbar, daß sie trotz der Einschränkungen von Seiten der Obrigkeit nach ihren Glaubensgrundsätzen leben konnte. Durch Gebet und Bibellesen schöpften sie die Kraft, die zahllosen Nöte, Anfeindungen und Schwierigkeiten der Neuansiedlung zu überwinden. Den ständigen neuen Bedrückungen von kurfürstlicher Seite setzten sie ihr Gottvertrauen entgegen. - Durch Zuzug anderer mennonitischer Familien wuchs die Gemeinde. Im Jahre 1717 werden uns die Familie Egly, Hegi, Ellenberger, Guth, Dester, und Mayer genannt. Der Name Lichti kommt 1724 hinzu. Im Jahre 1732 ist die Gemeinde auf 25 Familien angewachsen. Davon lebten etliche in den Dörfern Haardt, Essingen, Duttweiler und Mußbach. Der Diener am Wort (Prediger) war Hans Dester, Diakon Jakob Guth.

Die als Anlage beigefügten Schutzgeldlisten geben einen Überblick über Namen und Gliederzahlen der Gemeinde von 1685 bis 1773. Ebenso befindet sich dort ein Verzeichnis der Prediger. Leider besitzen wir keine Aufzeichnungen, die über Geburten, Taufen, Eheschließungen und Todesfälle Aufschluß geben. Seit wann die Gemeinde Gottesdienste in der Kapelle abheit, läßt sich nicht genau feststellen. Fest steht, daß Kurfürst Carl Philipp (1716-1742) bei der Bestätigung der Duldungsurkunde Im Jahre 1717 ausdrücklich keine öffentlichen Gotteshäuser gestattete. Ein Versammlungsraum durfte von der Straße aus nicht als solcher erkennbar sein. Es ist anzunehmen, daß damals das Schiff der Kapelle zum sog. Hirtenhaus umgebaut wurde, um die Kapelle zu verbergen und dem kurfürstlichen Erlaß zu genügen.

Im Jahre 1740 beschuldigte man die Mennoniten auf dem Branchweilerhof, heimliche Zusammenkünfte abzuhalten. Die Jesuiten in Neustadt, von 1700 - 1773 Eigentümer des Hofgutes, stellten ihnen aber folgendes positive Zeugnis aus.

"Daß die Wiedertäufer auf dem Spitalhof Branchweiler als Erbbeständer daselbst ihren zu unserer Schaffnei Branchweiler schuldigen Erbbestandspacht und sonstigen prästanda (Verpflichtungen) alljährlich dermaßen richtig zahlen und 1eisten, daß man darüber im geringsten sich zu beschweren nicht Ursache hat, sondern deshalb wohl zufrieden und daneben unbekannt oder unwissend ist, daß sie nächtliche Conventikel (Zusammenkünfte) halten, wird der Wahrheft zum Bestand und auf Begehr hiermit attestiert.
Neustadt, 27. Februar 1740 Christophory Butzfeld p. d. Superiof".

Da im Jahre 1744 eine Verordnung erlassen worden war, nach der die Zahl der mennonitischen Familien der Kurpfalz auf 200 herabgesetzt werden sollte, wurde als Bedingung für eine Konzessionserneuerung oft die Ausstellung eines Personenverzeichnisses verlangt, um ein allzu starkes Anwachsen der Mennoniten zu verhindern. Darauf bezieht sich ein Schreiben der Jesuiten an Kurfürst Carl Theodor vom Jahre 1753, wonach "anno 1682 Chur-Fürst Carl nur drey Haupt-Stämm, nehmlich Fritz Dester, Jakob Weber, Danier Stauffer, Menonisten, das ehemalige Jahr/bestandsweise verlyhene Branchweiler Hospital/Gut, als ein Erbbestand verlyhen habe; mitlerer Zeit aber seynd dieselben dermaßen angewachsen, daß nunmehro sechs Haupt-Familien alda sich befinden. . ."

Der Bitte der Jesuiten, die Familienzahl der Mennoniten auf dem Branchweilerhof zu vermindern, kam man jedoch nicht nach. Es wurden vielmehr Gutachten über die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgestellt, so auch am 16. Juni 1763. Dort heißt es:

"Die Sekte werde ungemein verabscheut und solle auch ausgetilgt werden; aber die tägliche Erfahrung lehre auch, daß keine bessere, arbeitsamere und tüchtigere Untertanen zu finden sind, welche außer ihrer Religion, ihrem Glauben und ihrer Irrung in den Sitten als auch in unverdrossenem Eifer sich Tag und Nacht zu betätigen, den anderen Religionsverwandten zum Vorbild dienen sollten. Man hört nie von ihnen fluchen, schwören, noch andere Untaten, bei keinem Gerichtsstand vernimmt man die geringste Klageföhrung, während jene, welche in der christlichen Vollkommenheit sein sollten, in allerhand Gattung von Verbrechen betreten werden und gezüchtigt werden müssen".

In einem weiteren Gutachten von 1794 werden die Mennoniten als musterhaft fleißig und einsichtsvolle Ackersleute bezeichnet.

Email zu Branchweilerhof admin@lichti.com

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